- Artikel-Nr.: 978-3-89680-967-4
Stefan Klöckner führt in leicht verständlicher und vergnüglicher Weise durch die Geschichte und die Bedeutung des Gregorianischen Chorals. Dabei erläutert Stefan Klöckner, ausgewiesener Experte für Gregorianik, unter anderem den spirituellen Gehalt der Texte und der Musik und dessen Bedeutung für den modernen Menschen. Der Gregorianische Choral wird heute oft als eine Musik der Entschleunigung und Entspannung empfunden.
Zudem nimmt Stefan Klöckner den Leser mit in die Kompositionswerkstätten, ergründet das Geheimnis der gregorianischen Tonarten und erschließt uns so den Reichtum der Gregorianik.
Die beiliegende CD enthält zahlreiche Hörproben, die dazu einladen das Gelesene nachzuvollziehen und zu vertiefen.
Leseprobe preview
Vater, gib mir ein Wort des Lebens!
Ein Schüler zum Wüstenvater Antonius, 3. Jh.
ruminari – Vom »Wiederkäuen« heiliger Worte
Oftmals greifen konkrete Erfindungen und geistes- beziehungsweise kulturgeschichtliche Entwicklungen ineinander und üben großen Einfluss aus. Ja, manchmal ist die Radikalität eines Umbruchs ohne eine solche Erfindung gar nicht denkbar – man denke nur daran, dass es letztlich die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern um 1460 durch Johannes Gutenberg war, die der Reformation derart rasch und weitgreifend zum Durchbruch verhalf.
Ein vergleichbarer (wenn auch nicht ganz so umwälzender) Schritt war der Wechsel von der Papyrus- beziehungsweise Pergamentrolle zum gebundenen Codex, der Seiten und Blätter hatte – so wie dieses Buch heute. Geschriebenes war nun leichter zu transportieren und rascher aufzufinden – nicht unerheblich für eine Religion, in der die Tradierung von Schrifttum und Briefen einen eminent wichtigen Platz einnahm!
Mit dem Christentum war zudem noch eine andere wichtige religionssoziologische Neuerung eingetreten. Diese Religion kannte und brauchte kein Zentralheiligtum, sondern realisierte sich in höchst unterschiedlichen Formationen: Familien, Freundeskreise, ehemalige Synagogen und öffentliche Plätze. Überall da, wo zwei oder drei in Jesu Christi Namen beisammen waren (man kann auch sagen: wo sie Jesus Christus zur Sprache brachten, von ihm erzählten und zu ihm beteten; vgl. Matthäus 18,20), konstituierte sich eine Gemeinschaft der »zum Herrn Gehörenden«, was auf Griechisch »kyriaké« heißt.
Von dieser Vokabel leitet sich unser deutsches Wort »Kirche« ab. Von daher konnte einer der wichtigsten Theologen (der zeitlich frü¬heste Schriftsteller des Neuen Testaments), Paulus, davon sprechen, dass die Gemeinschaft der Christen der »Tempel Gottes« sei: »Wisst ihr nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid und dass der Geist Gottes in euch wohnt?« (Erster Korintherbrief 3,16)
Die räumliche Mobilität und die dynamische Auffassung von »Kirche«, die zuerst Gemeinschaft ist und dann erst später ein Bau, ermöglichte eine rasche Verbreitung des christlichen Glaubens in wenigen Jahrzehnten nach Tod und Auferstehung Jesu – eine Verbreitung in Tat und Wort. Dem Wort kommt dabei von vorneherein eine besondere Rolle zu – und es ist damit auch das erklingende und gesungene Wort gemeint, das den Menschen hilft, Gottes Heilstaten im Lobpreis zu erinnern und somit gegenwärtig werden zu lassen. Wieder verdeutlicht dies ein Paulus-Zitat, das in gleich zwei Briefen überliefert ist: »Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und vom Geist gegebene Lieder.« (Epheserbrief 5,19 und Kolosserbrief 3,16)
Das Christentum ist wie das Judentum eine Wort-Religion. Im biblischen Kontext ist das »Wort« immer ein wirkmächtiges Geschehen: Das Wort der Verkündigung bewirkt bei den Menschen eine Veränderung ihres Lebensweges! Durch das vom Menschen im Auftrag Gottes gesprochene Wort wird das Ausgesagte Realität.
Schon der Schöpfer-Gott zu Beginn des Alten Testaments erschafft, indem er denkt und das Gedachte ausspricht: Gott sprach – und es ward ... Mit dieser Vorstellung steht das Judentum in der orientalischen Antike übrigens nicht allein: Genau der gleiche
Dreischritt (Denken – Aussprechen – Werden) wird von der mit einem Lapislazuli-Helm geschmückten ägyptischen Schöpfungsgottheit Ptah berichtet.
Der Prophet Jesaja lässt Gott über die Wirkmacht seines ausgesprochenen Wortes sagen: »Das Wort, das meinen Mund verlässt, kehrt nicht leer zu mir zurück. Vielmehr bewirkt es, was ich will.« (Jesaja 55,11) Die moderne, von Wittgenstein und Austin entfaltete Sprachphilosophie wird im 20. Jahrhundert über diese »performativen Sprechakte« reflektieren.
Im Neuen Testament wird diese Linie noch intensiver fortgesetzt, denn das heilmachende und wirkmächtige Wort rückt in den Mittelpunkt – bis dahin, dass der Evangelist Johannes samt der nach ihm benannten theologischen Schule Jesus Christus selber als das »Wort« (logos) bezeichnet, das vom Vater ausgeht ... – gleichsam Gottes »letztes Wort«, das er nie zurücknehmen kann und wird.
Das geradezu sakramentale Verständnis des Wortes, das sich in der christlichen Antike auszuprägen beginnt, ist ohne diese bibeltheologischen Grundlagen nicht nachvollziehbar – und genauso wenig kann man nachvollziehen, warum die Wertschätzung des erklingenden Wortes im frühen Mönchtum (als einer der Wiegen des Liturgiegesangs) derart hoch ist.
Letztlich steht dahinter die christliche Theologie der Inkarnation. Das lateinische carnis bedeutet Fleisch. Inkarnation meint demnach Fleischwerdung, Kommen ins menschliche Fleisch.
Wir alle kennen aus dem Credo den Satz über Jesus Christus: »Et incarnatus est de Spiritu Sancto ex Maria Virgine: et homo factus est.« (Er hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist aus Maria der Jungfrau und ist Mensch geworden.) In den zahlreichen Vertonungen – besonders denen aus dem 18. und 19. Jahrhundert – ändert sich hier der Charakter der Komposition oftmals sehr deutlich.
Markus Uhl, Christoph Weyer (Hg.)
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